Wochenbrief 5

Jesus hat Verwandlung im Sinn
Jesus hat Freiheit im Sinn

Wochenbrief 5

Jesus hat Verwandlung im Sinn
Jesus hat Freiheit im Sinn

Lie­be Schwes­tern und Brü­der im Glauben,

Schmet­ter­ling aus dem Kru­zi­fix in der Regens­bur­ger St. Jakobs­kir­che Gold­schmie­de­ar­beit aus Paris um 1320

das unbe­ding­te Lieb­lings­buch mei­ner ein­jäh­ri­gen Enke­lin ist »Die klei­ne Rau­pe Nim­mer­satt« von Eric Car­le. Sie hat viel Freu­de dar­an, die Fin­ger­chen in die klei­nen Löcher zu ste­cken, die die Rau­pe bei ihrem Durch­fres­sen durch aller­lei Obst hin­ter­las­sen hat. Aber wenn wir beim Vor­le­sen und Anschau­en an die Stel­le kom­men, wo die Rau­pe aus ihrem Kokon schlüpft und als wun­der­schö­ner bun­ter Schmet­ter­ling davon­fliegt, kennt Sophies Begeis­te­rung kei­ne Gren­zen. Immer wie­der muss der Schmet­ter­ling mit den far­ben­präch­ti­gen Flü­geln schla­gen und über unse­ren Köp­fen hin und her flat­tern, dann ist sie selig.

In der Anti­ke war der Schmet­ter­ling ein Sinn­bild für die unsterb­li­che See­le des Men­schen − das grie­chi­sche Wort »Psy­che« bedeu­tet sowohl See­le als auch Schmet­ter­ling. Und die Leh­rer des frü­hen Chris­ten­tums haben im Schmet­ter­ling ein Sym­bol für die Auf­er­ste­hung Jesu gese­hen: So wie sich die Rau­pe zur star­ren, leb­lo­sen Pup­pe ver­wan­delt, aus der dann aber ein schö­ner, far­ben­fro­her Schmet­ter­ling schlüpft, so steht auch für Jesus am Ende nicht der Tod, son­dern neu­es Leben.

Der ers­te Sonn­tag nach Ostern macht das aufs Neue deut­lich. Er trägt den lit­ur­gi­schen Namen »Qua­si-modo-geni­ti«: Wie die neu­ge­bo­re­nen Men­schen­kin­der. Wie Kin­der, mit eben­sol­cher Freu­de und Begeis­te­rung dür­fen wir auch als Erwach­se­ne leben, mit sol­cher Hin­ga­be und sol­chem Ver­trau­en — dazu sind wir bestimmt und von Ewig­keit her gerufen.

»Ich habe Schmet­ter­lin­ge im Bauch« — sagt man heu­te, wenn man sich so rich­tig glück­lich fühlt, wenn man die gan­ze Welt umar­men und vor Freu­de hüp­fen möch­te. »Schmet­ter­lin­ge im Bauch« haben Ver­lieb­te — und füh­len sich von einem neu­en Früh­ling erfüllt, wie beim Auf­bre­chen einer Rosen-Knos­pe. Neu­es Leben kün­digt sich an, beschwingt, erfreut, bewegt, belebt.

In Men­schen ist Vie­les ver­bor­gen. Viel Leben und so man­ches Leid. Und je nach­dem, was uns wider­fährt, kann das Leben ent­flammt wer­den und zu blü­hen begin­nen, wie die Freu­de eines klei­nen Kin­des am bun­ten Schmet­ter­ling. Es kann aber auch gesche­hen, dass nicht Freu­de, son­dern see­li­sche Ver­let­zun­gen und Wun­den aus unglück­li­chen Lebens­ta­gen her­vor­bre­chen – Erfah­run­gen, tief ein­ge­gra­ben in ver­schlos­se­ne Ecken des Bewusst­seins und abge­spei­chert in der Abtei­lung »Selbst­zwei­fel, Schei­tern, Gewissensnöte«.

Wenn uner­war­tet ein ande­rer Mensch an die­se gut abge­schirm­te Welt von Schmerz und Elend stösst, bricht die Schutz­mau­er ein und alles Weh bricht auf wie eine Explo­si­on, die ver­wüs­tet. »Flash back« nennt die Psy­cho­lo­gie sol­ches. Blitz und Don­ner, genährt aus Ver­gan­ge­nem, aus nie geheil­ten Wun­den. Und der davon betrof­fe­ne Mensch ver­liert sich in Wut, Hass, selbst Feind­schaft… — dies alles von aus­sen gese­hen ohne wirk­li­chen Grund. Anlass war etwas Harm­lo­ses, das beängs­ti­gen­de Ener­gien frei­setzt. »Flash back« — nicht nur der Mensch, in des­sen ver­bor­ge­nen Abgrün­den sich die­se ato­ma­re Reak­ti­on abspielt, wird ver­sehrt, auch sein Umfeld wird von Trüm­mer­tei­len getrof­fen und verletzt.

Ostern frei­lich ist das Gegen­teil. Hier hat Gott in der Men­schen­welt »ein Wet­ter­leuch­ten aus der Zukunft« insze­niert: »Flash ahead« oder »Flash for­ward« — wir wer­den gepackt von dem, was uns ent­ge­gen­kommt und uns mit einer Zukunft ver­bin­det, die es erst noch geben wird: Leben­dig­keit und Zuver­sicht. »Flash ahead« — von Hoff­nung »infi­ziert« lebst du ganz frei und offen für die radi­ka­le Erneue­rung des Lebens, dei­nes eige­nen und des Lebens, mit dem du ver­bun­den bist.

Wie ein Spie­gel die­ser Oster­per­spek­ti­ve zeigt sich die Geschich­te einer uner­war­te­ten Ent­de­ckung. In der Regens­bur­ger St. Jakobs­kir­che steht ein ein­drucks­vol­les spät­go­ti­sches Kru­zi­fix aus dem 14. Jahr­hun­dert. Vor eini­gen Jah­ren muss­te es restau­riert wer­den, dabei hat man eine sen­sa­tio­nel­le Ent­de­ckung gemacht: Im Hin­ter­kopf des Gekreu­zig­ten sind die Restau­ra­to­ren plötz­lich auf einen klei­nen Hohl­raum gestos­sen, und in die­sem Hohl­raum haben sie einen Schmet­ter­ling gefun­den, etwa 4x5 Zen­ti­me­ter gross, aus ver­gol­de­tem Sil­ber, die Füh­ler­spit­zen aus ech­ten Per­len, die Flü­gel far­ben­präch­tig email­liert. Auf dem Rumpf des Schmet­ter­lings ist noch ein­mal Chris­tus am Kreuz zu sehen, auf dem rech­ten Flü­gel Maria, auf dem lin­ken der Lieb­lings­jün­ger Johannes.

Was hat die­ser Schmet­ter­ling im Hin­ter­kopf Jesu zu suchen?
Das kann man so ver­ste­hen: Jesus hat Ver­wand­lung im Kopf. Gott hat ihm in den Kopf gesetzt, uns aus unse­rer Ver­pup­pung, aus allem Erstarr­ten her­aus­zu­ho­len und zu neu­en Men­schen zu machen. Er möch­te, dass wir abstrei­fen, was uns an ver­gan­ge­nes Unheil fes­selt; los­las­sen, was uns ein­engt und lähmt; was an uns ver­knö­chert ist; abstrei­fen, was uns sprö­de und blut­leer macht − und damit auch hart gegen ande­re. Er lässt sich etwas ein­fal­len, damit wir her­aus­schlüp­fen aus dem Gefäng­nis unse­rer Lethar­gie, unse­rer Resi­gna­ti­on und unse­rer Gewohn­hei­ten, in die wir uns selbst ein­ge­spon­nen haben. Er will alle »flash back«-Erlebnisse zum Auf­hö­ren brin­gen, indem er uns von der Ver­gan­gen­heit löst und mit der Zukunft verbindet.

Jesus hat Frei­heit im Kopf: Er sieht, was uns belas­tet und nie­der­drückt. Er weiss um unse­re Krank­hei­ten; um enge und klein­li­che Geset­ze, die uns das Leben schwer machen; um Aus­gren­zun­gen und Demü­ti­gun­gen, denen wir aus­ge­setzt sind. Und er will, dass unser Leben leicht und unbe­schwert wird. Er möch­te uns − im wahrs­ten Sinn des Wor­tes − beflü­geln, uns ermun­tern, so dass wir beschwingt und froh leben kön­nen. Er will uns Las­ten abneh­men und zur Sorg­lo­sig­keit der Kin­der Got­tes befreien.

Damit wir ange­steckt wer­den — »qua­si­mo­do geni­ti« — zum ver­wan­del­ten Leben der Kin­der Gottes.

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