Wer ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Welt, …
Wochenbrief 4
Wer ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Welt, …
Liebe Schwestern und Brüder in Christus
Mit diesem »Osterpsalm« grüssen wir euch zum Fest der Auferweckung Jesu Christi zum Leben. Der Verfasser Hanns Dieter Hüsch hat sein Osterlied dem 126. Psalm nachempfunden:
Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein.
Da wird man sagen unter den Völkern: Der HERR hat Grosses an ihnen getan! Der HERR hat Grosses an uns getan; des sind wir fröhlich.
Der Psalm singt das Lied vom Leben – wo doch so vieles in der Welt »das Lied vom Tod« zu spielen versucht. In der Tat ist es wohl so, dass wir Menschen vom Tod mehr verstehen als vom Leben. Denn der Tod liegt sozusagen in unserer Hand oder in unserer Macht. Das Leben aber entzieht sich − trotz aller genetischen Kenntnisse und ihrer Anwendung für kinderlose Elternpaare − unserem Einfluss. Wir können es nicht machen. Damit stehen wir gegenüber der Osterbotschaft nicht besser da als jene ersten Zeuginnen und Zeugen der »Auferstehung«, von denen das Johannes-Evangelium (20,9) sagt:
Nach der Schrift stand es ja fest, dass Jesus von den Toten auferstehen würde; aber das verstanden sie damals noch nicht.
Verstehen wir es heute besser? Sind wir verständnisvoller geworden? Wenn man auf den Alltag schaut, sind Zweifel berechtigt. Uns so ist es kaum verwunderlich, dass die bekannte Mundharmonika-Melodie aus dem gleichnamigen Western »Spiel mir das Lied vom Tod« seit mehr als 50 Jahren zu den Welthits gehört. Sie wird in der Wirklichkeit leider mit ganz anderen Instrumenten als dem „Muulörgeli“ gespielt, sei es in Syrien oder in den griechischen Flüchtlingslagern, in Italien, Spanien oder in den USA… — immer wieder: »Spiel mir das Lied vom Tod«!
Auch die Schweiz bleibt nicht verschont von solchen Missklängen: Plädiert nicht ein Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg für eine sogenannte »gelenkte Immunisierung« in unserer Gesellschaft? Und argumentiert er nicht auf dem Hintergrund einer »grandiosen Wirtschaftskrise», wie sie durch die politischen Massnahmen um Covid 19 voraussichtlich eintreten wird, dafür, nicht Menschenleben zu retten, sondern »gewonnene Lebensjahre« zu zählen?
Das bedeutet, so sagte er in der Sendung »NZZ Standpunkte« vom 30. März: »Das Leben von Kindern und jungen Menschen wird anders bewertet als das von Menschen, die kurz vor dem natürlichen Tod stehen.« Dabei müssten »die beschränkten Finanz- und Pflegeressourcen den Takt vorgeben«, damit diese »nicht verpulvert werden, um einzelne Leben zu retten«. Spiel mir das Lied vom Tod…
»Spielt das Lied vom Leben« — das ist unser Wunsch an Ostern. Nach Karfreitag sollen wir — dazu sind wir gerufen! — das Lied vom Leben hören: Im österlichen Halleluja, in den mitreissenden Melodien und im beschwingten Rhythmus der Osterlieder sollen wir spüren, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Vielleicht helfen uns ja solche Lieder, das Geheimnis der Auferstehung am eigenen Leib zu spüren. Wir müssen es kennen, das »Lied vom Leben«, um neben allem, was jetzt gerade und was überhaupt unser Leben beengt, limitiert, in Frage stellt, dem wieder zu begegnen, was »darüber hinaus« gilt.
Wir müssen es kennen, das »Lied vom Leben«, um gerüstet zu sein für die Zeit nach Covid 19: Um in Gedanken, mit Worten und Taten den Stimmen in unserer Gesellschaft zu widerstehen, die lebendiges Leben der „wirtschaftlichen exponentiellen Entwicklung, auch in der Pflege“ unterordnen wollen.
Denn Jesus spielt das Lied vom Leben. Er befreit die ganze Menschheit vom Tod. Das ist die Osterbotschaft damals und heute.
Eines der klassischen Osterbilder der Ostkirche verkündet diese Botschaft kraftvoll leuchtend: Jesus Christus, das Kreuz als Siegeszeichen in der linken Hand, schreitet mit wehendem Gewand über aufgebrochene Türen und am Boden liegende Schlüssel und Schlösser – auch über den gefesselten Hades, den Gott der Unterwelt und des Todes. Mit seiner Rechten ergreift der Auferweckte die Hand, die Adam ihm entgegenstreckt. Adam, der erste Mensch, repräsentiert die ganze Menschheit. Es ist, als ob er den Adam zum Tanz auffordert und ihn zusammen mit allen anderen nach oben zieht und aus dem Gefängnis des Todes befreit.
»Erklären können wir’s nicht, schweigen aber dürfen wir nicht, also lasst uns singen« — rät uns der Kirchenvater Augustinus. Ostern können wir nicht erklären und beweisen. Aber dass das Leben stärker ist als der Tod − diese Botschaft dürfen wir auch nicht verschweigen. Also lasst uns singen: Stimmen wir ein in das österliche Halleluja, spielen wir mit Jesus Christus das Lied vom Leben.
Das Lied vom Tod — das war die Film-Melodie zum „Western“.
Das Lied vom Leben — das ist „Ostern“, damals und heute und immer.