Aktuelles: »Remember the ladies…« — vergesst die Frauen nicht!

Aktuelles: »Remember the ladies…« — vergesst die Frauen nicht!

So schrieb Abi­ga­il Adams Smith im Jahr 1776 an ihren Mann John Adams, den spä­te­ren zwei­ten Prä­si­den­ten der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka. Hin­ter­grund war jene poli­ti­sche Erklä­rung, die die Unab­hän­gig­keit vom alten Eng­land for­mu­lier­te und die Grund­la­gen die­ser Unab­hän­gig­keit zu beschrei­ben suchte.

Abi­ga­il und John Adams 1766 (Ben­ja­min Bly­the — Mas­sa­chu­setts His­to­ri­cal Society)

Der Moment war gut gewählt: Jetzt, da man einen neu­en Staat grün­de­te, muss­ten ja die Regeln für alle neu geschaf­fen wer­den. Und Abi­ga­il, die klu­ge und bele­se­ne Toch­ter eines refor­mier­ten Pfar­rers, hat­te durch­aus erkannt, dass die Bezie­hung zwi­schen Män­nern und Frau­en auch eine Rechts­fra­ge ist. Drum for­der­te sie für Frau­en in der Ver­fas­sung die glei­chen Rech­te: »Remem­ber the ladies« — und schrieb weiter:

»Wenn ihr den Frau­en nicht beson­de­re Für­sor­ge und Auf­merk­sam­keit schenkt — jetzt, da ihr eine neue Ver­fas­sung und neue Geset­ze schreibt -, dann wer­den wir durch eure Unter­las­sung genö­tigt, eine Rebel­li­on zu ent­fes­seln und wer­den uns nicht durch Geset­ze zurück­ge­hal­ten füh­len, in denen wir weder gehört noch gewür­digt werden…«

Mit die­sem Brief aus dem 18. Jahr­hun­dert ist uns eine der aller­ers­ten schrift­li­chen For­de­run­gen nach Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern über­lie­fert — eine For­de­rung, die von vie­len hoch enga­gier­ten Frau­en (und auch eini­gen Män­nern) durch die Jahr­hun­der­te wei­ter­ge­tra­gen wur­de und doch immer noch aktu­ell, weil immer noch nicht voll erfüllt ist.

50 Jah­re Frau­en­stimm­recht in der Schweiz

Mit dem „Marsch auf Bern“ demons­trier­ten im März 1969 (zehn Jah­re nach der geschei­ter­ten eid­ge­nös­si­schen Abstim­mung) mehr als 5000 Frau­en und Män­ner für das Frau­en­stimm- und Wahl­recht. Zum Durch­bruch kam es zwei Jah­re spä­ter: Am 7. Febru­ar 1971 wur­de das Stimm- und Wahl­recht für Frau­en mit einer Zwei-Drit­tel-Mehr­heit ange­nom­men. Und am 31. Okto­ber 1971 fand die ers­te eid­ge­nös­si­sche Wahl mit Frau­en­be­tei­li­gung statt: Zehn Frau­en wur­den in den Natio­nal­rat, eine Frau in den Stän­de­rat gewählt.

Marsch auf Bern 1969

Im Unter­schied zu den euro­päi­schen Nach­bar­län­dern dür­fen Frau­en in der Schweiz erst seit fünf Jahr­zehn­ten wäh­len und gewählt wer­den — im Kan­ton Appen­zell sogar erst seit drei Jahr­zehn­ten. Der Kampf um Gleich­stel­lung war hart und ist noch lan­ge nicht gewon­nen: Bis heu­te ver­die­nen Frau­en in der Schweiz pro Jahr über hun­dert Mil­li­ar­den Fran­ken weni­ger als Män­ner und ihre Ren­ten sind um 40 Pro­zent nied­ri­ger — bei der glei­chen Anzahl an Arbeitsstunden.

Ach­tung Pfarrerstöchter… !

Es ist kein Zufall, dass es gera­de Abi­ga­il Adams Smith war, die als ers­te für die Rech­te, die Wür­de und die Ehre derer ein­trat, die bis dahin weder Stim­me noch Mit­spra­che­recht in poli­ti­schen Fra­gen besas­sen. Sie leb­te in der Gegend von Bos­ton, wo Refor­mier­te im 17. Jahr­hun­dert hin­ge­zo­gen waren, um ihrem Glau­ben treu ein neu­es Leben auf­zu­bau­en, das vom Hören auf Gott und sein Wort bestimmt sein soll und in dem alle Men­schen gleich an Wür­de und Recht sind — so hat es dann die All­ge­mei­ne Erklä­rung der Men­schen­rech­te (erst 1948) formuliert.

Und es ist wie­der kein Zufall, dass eine wei­te­re klu­ge und bele­se­ne Pfar­rers­toch­ter rund 240 Jah­re spä­ter den Armen und Benach­tei­lig­ten in ihrem Bun­des­staat Geor­gia zu Stim­me und Mit­spra­che­recht ver­hol­fen hat: Stacey Abrams, gebo­ren 1973 — schwarz, arm, weiblich.

Stacey Abrams 

In jah­re­lan­ger Arbeit als Juris­tin und mit Hil­fe ihrer Orga­ni­sa­ti­on »Fair Fight« hat sie es bewerk­stel­ligt, dass am 5. Janu­ar in Geor­gia ras­sis­tisch den­ken­de und han­deln­de Repu­bli­ka­ner abge­wählt wur­den. »Our time is now« — frei über­setzt: »Auf uns kommt’s an!« — ist der Leit­spruch der von ihr ange­stos­se­nen Bewe­gung. Die Pfar­rers­toch­ter knüpft an den Geist der Ver­än­de­rung hin zu Gerech­tig­keit aus der Zeit Jesu an: »Wer, wenn nicht wir? Wo, wenn nicht hier? Wann, wenn nicht jetzt?« So hat sie den Weg gebahnt für neue Macht­ver­hält­nis­se im ame­ri­ka­ni­schen Senat, für Gleich­be­rech­ti­gung und Gleich­stel­lung, für Demo­kra­tie und Men­schen­wür­de — und klar­ge­macht: Auch in der Poli­tik muss es dar­um gehen, ein Zusam­men­le­ben auf­zu­bau­en, das allen Men­schen Wür­de und Recht gewährt.

Andrea Ster­zin­ger

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